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Diagnose Speiseröhrenkrebs 2022 – mein Leben vorher, die Behandlung und mein Leben heute

 

Liebe Mitbetroffene, liebe Angehörige,

ich bin 63 Jahre und freue mich über die lebenswerte Zeit, die mir nach der Diagnose Speiseröhrenkrebs geschenkt wurde. Ja genau so ist es, das Leben macht trotz aller Schwierigkeiten und auch bleibenden Nachwirkungen aus der OP und den Chemos Freude. Also das Durchhalten hat sich für mich gelohnt – und ich glaube ich spreche für viele, die sich an der Uniklinik in die Behandlung gegeben haben. Ziel meiner Zusammenfassung ist es nicht, Werbung für die Uniklinik zu machen, sondern Ihnen meine Erfahrungen darzustellen.

Also der Reihe nach – ich habe meinen Bericht wie folgt aufgebaut:

  1. Mein Leben vor der Diagnose Speiseröhrenkrebs (ganz kurz, nur um einen Eindruck zu bekommen)
  2. Mein Leben während der Behandlung (was habe ich gefühlt, wie erging es mir)
  3. Mein Leben nach dem Krebs (was hat sich geändert und welche Einschränkungen habe ich noch heute)

 

I. Mein Leben vor der Diagnose Speiseröhrenkrebs

Ich habe eine Dienststelle beim THW in Koblenz geleitet, mich vernünftig ernährt und Sport getrieben – ok ich gebe es zu, ich habe viele Jahre geraucht. Alle üblichen Vorsorgeuntersuchungen habe ich gemacht. Ich hatte viel Stress, ja und in der Spitze noch das verheerende Unglück an der Ahr 2021. Ende des Jahres 2021 hatte ich erstmals bewusst Schluckbeschwerden bei einem Croissant - die Schluckbeschwerden wiederholten sich gelegentlich.

Meine Hausärztin empfahl mir eine Magenspiegelung und an einem Freitag im Februar 2022 eröffnete mir die Gastroenterologin, dass ich einen Tumor in der Speiseröhre und ein Geschwür im Magen habe.

Am folgenden Arbeitstag habe ich meine Mitarbeiter informiert und gemerkt, das Leben geht für sie normal weiter – für mich nicht. Ich habe mich abends krank schreiben lassen und wieder geweint.

Die Tage und die folgenden Wochen waren ein Albtraum. Ich kann es auch heute noch sehr bewusst nachempfinden, da ich nach zwei/drei Wochen anfing, mir vieles zu notieren, meine Gefühle, mein Erlebtes, aber auch Abläufe. Es sollten dutzende an Seiten werden. Vieles habe ich mir einfach von der Seele geschrieben – das hatte mir bis zu einem späteren Zeitpunkt, an dem ich meine innere Stärke wiedergefunden habe, sehr geholfen.

 

II. Mein Leben während der Behandlung

Ein paar Tage nach der Erstdiagnose bestätigt sich das Ergebnis. Meine Ärztin hatte mir einen Termin im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz gemacht.

In den nächsten vier Wochen gab es zunächst Gespräche mit Chirurgen, der Onkologin, dann Untersuchungen, Spiegelung, PET-CT und das Öffnen der Bauchdecke wegen möglicher Metastasen. Ich hatte so eine Angst vor dem Ergebnis, aber zumindest das war gut. Zudem wurde ein Port gelegt. Ergebnis ein Tumor T3 ohne Fernmetastasen. Es wurde festgelegt, dass ich zunächst 4 mal Chemo erhalten solle, dann operiert wird und im Nachgang nochmals 4 mal Chemo erfolgen sollen. Was das alles für mich bedeutet, welche Auswirkungen das alles hat; zu dem Zeitpunkt wusste ich trotz allen Lesens viel zu wenig.

Aber: Niemals Krankheiten im Netz in die Suche eingeben, das macht einen mürbe! Es gibt wirklich gute Informationsmöglichkeiten, die es zu nutzen gilt. Ich könnte hier einige gute Schriften nennen, aber die sind auf der Seite der SHG- Speiseröhren- und Magenkrebs sehr gut aufgeführt.

Kurz zu Familie, Freunde, Mitarbeiter, Vorgesetzte und Ehrenamtliche: Alle waren sehr bemüht und stützten mich. Das wirksamste Pfund aber waren meine Familie und unsere Freunde. Als Kranker ist man sehr auf sich selbst fokussiert, aber was die Familie mitmachen muss, dessen wird man sich erst viel später bewusst. Ich bin meiner Familie für ihr Durchhalten und mit-leiden so sehr dankbar. Sie haben mich nie aufgegeben...

Die erste Chemo-Serie FLOT kam über mich. Was FLOT genau heißt weiß ich nicht, aber diese Chemoart stellt einen üblichen Behandlungsablauf dar. Ich habe alle Chemos aufgrund der Nähe im Bundeswehrkrankenhaus machen lassen. Die erste Woche nach der Chemo war ich immer recht platt, die zweite Woche habe ich mich regeneriert, habe gut gegessen, morgens Yoga gemacht und bin Fahrrad gefahren – bevor dann die nächste Chemo kam. Ich habe es irgendwann Zaubertrank genannt, wenn die Beutel an meinen Port angeschlossen wurden.

Eine Freundin meiner Schwester arbeitete mit einem Chirurgen in der Züricher Uniklinik (UK) zusammen. Dieser war vorher in der UK Köln und empfahl mir, mich an einen Professor der UK Köln zu wenden - zumindest um eine zweite Meinung einzuholen. Der Mann in Köln war nicht nur freundlich und zugewandt, sondern erklärte, was er wie machen würde und welche Auswirkungen es habe...

Die Entscheidung, sich in einer Exzellenzklinik für Speiseröhren- und Magenchirurgie operieren zu lassen, viel mir danach leicht. Auf sein Anraten hin habe ich auch an einer Studie teilgenommen, die eine der beiden OP-Arten wie auch die operierenden Ärzte auswählt. Ich hätte es nach heutiger Erkenntnis und meiner eigenen Meinung nicht besser treffen können. Magenhochzug und die Chefin der Klinik Fr. Prof. Bruns und Prof. Schröder operierten mich.

Es waren 21 heiße Tage bei bis zu 35 Grad im 18. Stockwerk. Als Fr. Prof. Bruns mir bei der Visite am Freitagnachmittag eröffnete, dass die Untersuchung des entnommenen Gewebes sehr positiv für mich war, sind mir die Tränen mal wieder gelaufen.

Nach der OP war ich etwas mitgenommen, hatte rd. 12 kg Muskelmasse verloren und habe es vorgezogen, in eine Anschlussheilbehandlung zu gehen. Das war gut so. Dann erst gab es die nächsten 4 mal Chemo, die noch einmal mehr eine Belastung darstellten. Ich habe aber durchgehalten und wurde und werde seit der Operation und der letzten Chemo in den vorgegebenen Zeitintervallen an der UK Köln untersucht – und habe bislang keine neuen Metastasen.

 

III. Mein Leben nach der Behandlung

Ich will nicht verschweigen, dass es Einschränkungen gab und noch immer gibt: Gewicht damals 96 kg heute 86 kg, mehr wird`s nicht.

Meine Füße sind so halb taub; das ist die sog. Polyneuropathie, die bei mir nicht besser wird.

Ich muss regelmäßig und auch richtig essen. Was ich trinke, kann ich nicht essen. Der Magen ist dafür etwas klein. Die Verwertung des Essens fällt dem Körper zunächst schwer; nicht nur dafür gibt es sinnvolle Tabletten. Beispiel ein leckeres Teilchen zu Mittag, der Magen ist voll, aber die leeren Kohlehydrate bringen einen nicht über mehrere Stunden. Dann steigt der Puls, man schwitzt wie in der Sauna, hat keine Kraft und braucht dringend ESSEN und TRINKEN. Aber man gewöhnt sich an alles und lernt durch Erfahrungen. Und alle „Speiseröhren“ haben später immer etwas zu essen und zu trinken dabei.

Wenn ich abends zu spät esse oder falsches, dann quittiert das der Körper in der Nacht mit Husten und/oder mit einem Reflux. Schlafe ich mit dem Kopf zu niedrig, richtig, gibt es Reflux.

Durch den Verlust der Muskulatur, das Öffnen der rechten Seite des Körpers kann es dann weitere körperliche Einschränkungen geben. Das Atmen fällt mir bei Belastung schwer, aber hier muss ich als Kranker an mir arbeiten. Ich mache das tatsächlich sehr konsequent. Fast täglich fange ich den Tag mit Sport wie Yoga an oder rudere, fahre Fahrrad, versuche 10.000 Schritte zu gehen. Ich kann das nur empfehlen.

Ende des letzten Jahres habe ich mich dazu durchgerungen, zu akzeptieren, dass neben meiner physischen auch meine psychische Leistungsfähigkeit zur Führung einer Dienststelle nicht mehr ausreichend ist.

Das heißt, ich bin heute im Ruhestand und kann neben meiner Dankbarkeit gegenüber den Ärzten, dem Pflegepersonal auch etwas zurückgeben an die Gesellschaft. Ich arbeite zwei Tage die Woche ehrenamtlich für die Tafel und versuche mich nun auch in der Selbsthilfegruppe Speiseröhrenkrebs und Magenkrebs einzubringen, die mich selbst gestützt hat.

Ich wünsche Ihnen bzw. Ihrem Angehörigen viel Kraft und alles nur erdenklich Gute bei der Wiederherstellung der Gesundheit. Es ist eine lange Zeit von Gefühlsschwankungen, von Aushalten, Hoffen und Kampf gegen den Krebs – aber ich versichere Ihnen, es lohnt sich!

Christian W. Dezember 2024